Hanna Gegner (HG): Herr Götz, am 12.08.2020 erhielten Sie Ihre Ernennungsurkunde zum Schulleiter der Theodor-Frey-Schule Eberbach (TFSE), Sie sind also am 20.11.2020 100 Tage im Amt. – Auf einer Skala von 0-10: Wie ferienreif sind Sie?
Carlo Götz (CG): Auf einer Skala von 0-10… 7, würde ich sagen. Die Aufgabe ist doch recht anstrengend und komplex. Auch wenn einem das vorher gesagt wird, muss man immer seine eigenen Erfahrungen machen. Die aktuelle Corona-Pandemie spielt hierbei natürlich auch eine große Rolle.
HG: Wie sieht Ihre Bilanz der ersten 100 Tage als Schulleiter der TFSE aus?
CG: Zunächst einmal freue ich mich, wie gut ich hier an der Schule von den Kolleginnen und Kollegen aufgenommen wurde. Es herrscht an der TFS eine große Bereitschaft, Dinge anzugehen und Eigeninitiative zu zeigen. Hier wären das neue Konzept in der Ausbildung der Fachkräfte für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice zu nennen oder die Ideen, die es gerade für eine zukünftige Umgestaltung des bestehenden Unterrichts in den Verkäufer- und Einzelhandelsklassen gibt. Auch in der Öffentlichkeitsarbeit sehe ich viele tolle Ideen und Projekte. Was mir persönlich außerdem sehr am Herzen liegt, ist die Digitalisierung. Hier hat sich sehr schnell eine Gruppe gefunden, die sich dieses Thema auf die Fahnen schreibt und dafür auch Verantwortung übernimmt. Das finde ich sehr positiv.
Was mir anfangs etwas zu schaffen gemacht hat, waren einige Fälle, in denen ich in schwierigen Schülersituationen vorgehen musste. Da hat mir einfach die Erfahrung noch gefehlt, welche Vorfälle ich wie handhaben kann. Allerdings habe ich dafür jetzt eine Strategie entwickelt, wie ich mit diesen Problemen umgehen kann.
Wenn ich zusammenfasse, kann ich sagen, dass ich sehr gerne an die TFS komme. Auch wenn ich ein sehr rationaler Mensch bin, höre ich hier auf mein Bauchgefühl und das sagt mir, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe.
HG: Warum sollten junge Menschen sich für die TFS entscheiden?
CG: Ich sehe an unserer Schule bei sehr vielen Lehrerinnen und Lehrern eine hohe Bereitschaft, junge Menschen auf ihrem Weg in ihre berufliche Zukunft zu begleiten und zu unterstützen. Es herrscht hier eine ganz persönliche Atmosphäre und uns ist es wichtig, jedem Schüler und jeder Schülerin eine Chance zu geben, uns um sie zu kümmern und allen den Einstieg ins Berufsleben so gut wie möglich zu gestalten. Dieses Miteinander ist hier wirklich etwas Besonderes.
HG: Sie sind ja nicht nur Schulleiter, sondern auch noch Lehrer. Was ist für Sie guter Unterricht?
CG: Guter Unterricht bedeutet für mich, die Schülerinnen und Schüler dort abzuholen, wo sie stehen. Mir ist es – wie jedem Lehrer – wichtig, junge Menschen für meine Fächer und für bestimmte Themen zu begeistern und ihr Interesse zu wecken. Ich unterrichte ja Mathe und Physik, das sind Fächer, die bei den meisten jetzt nicht ganz oben auf der Beliebtheitsskala stehen (lacht). Wenn ich erreiche, dass die Schülerinnen und Schüler sich zumindest ein Stück weit für diese Fächer interessieren, dann habe ich gute Arbeit geleistet, glaube ich. Man muss sich immer wieder fragen, was die Kernbotschaften der eigenen Fächer sind, das was bleiben soll, wenn die SuS die Schule verlassen. Beispielsweise finde ich es entscheidend, die Schülerinnen und Schüler zu kritischen Menschen zu erziehen, indem ich ihnen beibringe, wie sie ein Diagramm richtig lesen oder wie Informationen in Grafiken abgebildet werden. Das zu verstehen ist ja, wie man jetzt auch bei der US-Wahl und der Corona-Pandemie gesehen hat, oft nicht selbstverständlich. Diese Kernbotschaften zu vermitteln und die Kernkompetenzen zu fördern, das bedeutet für mich guter Unterricht.
HG: Sie haben vorhin schon die Corona-Pandemie angesprochen, die aktuell eine große Belastung für die Schulen darstellt. Welche weiteren Herausforderungen sehen Sie für die TFS und die beruflichen Schulen für die Zukunft?
CG: Die größte Herausforderung ist meines Erachtens die Erhaltung der Standorte und der Schularten und somit eines breiten Bildungsangebots. Deshalb ist es so wichtig, dass wir als Schule attraktiv für junge Menschen bleiben. Als berufliche Schule ist es natürlich besonders entscheidend, dass wir immer am Puls der Zeit sind, was das Berufsleben angeht. Das war schon immer eine Herausforderung an beruflichen Schulen und wird auch immer eine bleiben. Als Beispiel für Innovation und neue Projekte wäre hier die neue Abbundanlage zu nennen, die wir seit einiger Zeit für unsere Zimmerer haben. Das alles erfordert ein hohes Maß an Lernbereitschaft, Weiterbildung und Interesse an neuen Entwicklungen bei den Kolleginnen und Kollegen. Technisch, methodisch und inhaltlich immer auf dem neusten Stand zu sein, ist für die beruflichen Schulen meiner Ansicht nach enorm wichtig. Hier haben wir mit dem Rhein-Neckar-Kreis auch einen guten Partner, der uns bei zukunftsfähigen Ideen unterstützt.
HG: Herr Götz, wenn Sie sich als Schulleiter in drei Worten beschreiben müssten – welche wären das?
CG: Oh, das ist schwierig. Aber wenn ich mich festlegen müsste, wären das die Eigenschaften offen, flexibel und menschlich. Ich hoffe, meine Kolleginnen und Kollegen sehen das auch so (lacht).
HG: Welche Visionen haben Sie für Ihre Schule?
CG: Die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler ist mir ein großes Anliegen. Da auch die Digitalisierung ein Herzensprojekt für mich ist, möchte ich diese beiden Dinge verknüpfen. Hier habe ich einige konkrete Ideen, wie wir die Schülerinnen und Schülern mit digitalen Mitteln noch besser fördern und unterstützen können. Wenn wir das hinbekommen, würde das die Attraktivität unserer Schule noch weiter steigern.
HG: Was wünschen und erwarten Sie von Ihren Kolleginnen und Kollegen?
CG: Da ich kein Schulleiter bin, der seine Kolleginnen und Kollegen zu Aufgaben zwingt oder ihnen bis ins letzte Detail vorgibt, was sie wie zu tun haben, erwarte ich Engagement, eigene Ideen und die Bereitschaft, selbst Verantwortung zu übernehmen. Jeder ist anders, jeder kann andere Dinge und ich weiß es sehr zu schätzen, wenn man mit dieser Freiheit umgehen kann.
HG: Zum Abschluss würde ich Ihnen gerne noch einige Entscheidungsfragen stellen. Die erste ist vielleicht schon etwas knifflig für Sie…Buchen oder Eberbach?
CG: Puh, das kann ich nicht entscheiden. In Buchen habe ich persönlich und fachlich viel gelernt, und ich fühle mich in Eberbach jetzt sehr wohl.
HG: Handwerk oder Hochschule?
CG: Auch das lässt sich nicht so einfach beantworten. Ich selbst habe ja beides erfahren, zunächst habe ich eine Lehre gemacht und danach studiert. Ich sage zu jungen Menschen immer: Mach, was du am besten kannst und was dir am meisten Spaß macht! Nicht jeder ist für ein Studium geeignet oder möchte das machen. Und manche sind handwerklich einfach unbegabt – so wie ich, leider.
HG: Mathe oder Physik?
CG: Physik. Eindeutig!
HG: Digital oder analog?
CG: Hm. Wenn digital gut gemacht ist, ist es super. Aber auch analoge Arbeitsweisen haben ihre Vorteile. Die Mischung macht’s.
HG: Unterricht oder Verwaltung?
CG: Zurzeit vermisse ich den Unterricht schon etwas. Aber in die Verwaltungsaufgaben arbeite ich mich jetzt auch rein.
HG: Schule oder Ferien?
CG: Schule!
HG: Ist Ihr Glas immer halb voll oder halb leer?
CG: Halb voll.
HG: Herr Götz, ich danke Ihnen ganz herzlich für das Interview.