Von Labbeduddl, Schobbezähler und Neckarschloima – Ein Vormittag mit dem Mundart-Künstler Hans-Peter Schwöbel

Von Labbeduddl, Schobbezähler und Neckarschloima – Ein Vormittag mit dem Mundart-Künstler Hans-Peter Schwöbel

Seinen Dialekt hat er nicht im Elternhaus, sondern „uff de Gass“ beim Spielen und später bei seiner Arbeit als Autoschlosser und am Mannheimer Hafen gelernt. Zuhause habe man diesen unterdrückt, ja sogar bekämpft.

Prof. Dr. Hans-Peter Schwöbel, Soziologe im Ruhestand, Mundartkünstler, Kabarettist, Essayist, Philosoph, Liebhaber und engagierter Pfleger des (Kurpfälzer) Dialekts, war am Mittwoch, 03.05.2023, im Deutschunterricht des Berufskollegs Wirtschaft (1. Jahr) an der Theodor-Frey-Schule Eberbach zu Gast.

Nachdem in den letzten Deutsch-Stunden Dialekt und Mundart das Thema war, fand die Einheit ihren Abschluss im Besuch von Prof. Schwöbel. Dieser legte nach einer kurzen Begrüßung durch Deutschlehrerin Hanna Gegner sofort los: Im Zentrum seines ersten Vortrags stand das Feiern, das in der Kurpfalz eine große Rolle spielt. Die Gründe zum Feiern sind für den Künstler zahlreich: der Neckar, die Berge des Odenwaldes, das Licht in den Tälern, der Wein, die Menschen… Immer wieder tauchten Wörter wie „Hannebambl“, „Labbeduddl“, „Schobbezähler“ oder „Bobbele“ auf, die nicht allen Schülerinnen und Schülern geläufig waren. Das richtige Erraten eines Wortes wurde mit einem Bonbon belohnt. Schwöbel erklärte auch die Herkunft und Bedeutung der Wörter. So ist der „Schobbezähler“ der Adamsapfel – an ihm könne man, beobachte man einen Mann beim Trinken des „Schobbens“, also des Halbliterglases Riesling, zählen, wie viele Schlucke dieser trinke. „Und die Kellnerin kann das dann später in Schobbegläser umrechnen“, erläuterte Schwöbel mit einem Schmunzeln.

Dass es zahlreiche Gründe für die Pflege und das Sprechen von Dialekt gibt, stellte der Dialektliebhaber ebenfalls klar: Es sei doch so viel „schääna“, zu seinem Schatz „Bobbele“ statt „Baby“ zu sagen. Es gebe so viele „goldige Worte“ im Dialekt, die zudem voller Geschichte seien. So geht der Begriff „Neckarschloima“ auf jene Zeit zurück, als auf dem Neckar die Schiffe zwischen Mannheim und Heilbronn noch getreidelt, also mit Tier- oder Manneskraft an langen Seilen vom Ufer aus gezogen werden mussten. Diese Männer hätten bei der schweren Arbeit geschwitzt und oft auch auf den Boden gespuckt, weshalb man sie „Neckarschloima“ nannte.

Schwöbel betonte, ihm sei es wichtig, dass Sprache nicht nur als funktionelles, pragmatisches Mittel genutzt werde, sondern dass außergewöhnliche Begegnungen mit Sprache stattfinden.

Eine solche Begegnung war der Vormittag mit dem „Monnemer“ für die Schülerinnen und Schüler sicher. Der Mundartkünstler, selbst übrigens zunächst im Odenwald und dann in Mannheim aufgewachsen, eröffnete ihnen besondere Klangwelten, so beispielsweise mit einem Gedicht über die „Ongscht“ (Angst), in dem der Laut „ngscht“, den es so in der hochdeutschen Standardsprache nicht gibt, die Hauptrolle spielt. Dialekte könnten so vieles ausdrücken, was im Hochdeutschen nicht gehe. Deshalb versteht sich Schwöbel auch als Traditionspfleger, denn er empfindet es, ebenso wie sein Kollege aus Bayern, Gerhard Polt, als Spracharmut, wenn jemand keinen Dialekt kann. Dafür könne jemand vielleicht nichts, aber ein besonderer Verdienst sei es jedenfalls nicht, wenn man nur Hochdeutsch spreche.

Nachdem die Schülerinnen und Schüler in den Genuss einiger kurpfälzischer Redensarten und besonderer Begriffe kamen – als Beispiele seien hier nur „Koscherworscht“, „Wer hot’n disch gschdumbt, dass’d wagglsch?“, „Dalles“ oder auch das „Kurpfälzer Friedensangebot“ „Isch bumb disch wie en Nusssack“ genannt – stellte Schwöbel zuletzt einige seiner Thesen zur Frage „Warum Dialekt?“ vor. So vertritt er die Ansicht, dass Dialekte zum Kulturerbe der Menschheit gehören und illustriert dies mit der Information, dass das Sprachensterben weltweit parallel mit dem Artensterben verläuft. Verantwortlich hierfür sei die Globalisierung, die alles uniformiere und Besonderheiten einebne. Er sieht den Dialekt zudem als Mittel zur regionalen und lokalen Identitätsstiftung und als anspruchsvolle Sprachmuster, was dem ewigen Vorurteil vieler Menschen, Dialekt sei primitiv und ordinär, entgegensteht.

Dass Dialekt, Mundart und Muttersprache ein hochinteressantes, komplexes, anspruchsvoll bis philosophisches Thema ist, konnte Schwöbel den Jugendlichen durch seinen Besuch eindrucksvoll beweisen. Damit sie sich auch nach der Veranstaltung noch damit beschäftigen können, schenkte er ihnen einige seiner Bücher und CDs.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei Herrn Prof. Dr. Schwöbel für den unterhaltsamen, lehrreichen und interessanten Vormittag!

Informationen zu Hans-Peter Schwöbel finden sich auf seiner Homepage www.hpschwoebel.com.

von Hanna Gegner